Jetzt erreicht mich eine ausführliche Mail von Thomas Kortenkamp, der genau erklärt mit welcher Art von Vervielfältigungsapparat die Scholls ihre Flugblätter abgezogen haben müssen. Der Einfachheit halber und, weil die Materie nicht ganz leicht zu durchschauen ist, füge ich die Mail von Thomas Kortenkamp hier ein:
"Da ich die beiden Schreibmaschinen und die beiden Vervielfältigungsapparate umfassend untersucht habe, kann ich Ihnen den Sachverhalt beschreiben.
Im Buch steht folgendes:
Die Vervielfältigung von Flugblättern war eine mühsame Angelegenheit.
§ Es
müssen hierbei zwei Vervielfältigungsapparate unterschieden werden.
Greif-Vervielfältiger (Flugblätter 1-4) und ROTO-PREZIOSA (Flugblätter
5+6). Das Vervielfältigungsprinzip ist fast identisch.
Ich füge einen Teil meiner Internet-Publikation ein.
Der
Greif ist mit einem klappbaren Holzrahmen, in dem ein Seidengaze
eingelassen ist, ausgestattet. In einem Farbfach wird ein
Farbwalzenroller gleichmäßig mit Vervielfältigungsfarbe versehen. Unter
das Seidengaze wird eine mit Schreibmaschinenanschlag bearbeitete
Wachsmatrize, mit der beschriebenen Wachsschicht, gelegt und oberhalb
des Rahmens an einem Klappbügel eingeklemmt. Ein Vervielfältigungspapier
wird auf die innen liegende Holzfläche im Holzkasten aufgelegt. Der
Seidengaze-Rahmen wird darauf abgelassen und das Seidengaze mit dem
Farbwalzenroller gefärbt. Durch den Farbauftrag auf das Seidengaze, kann
die Wachsmatrize unter dem Seidengaze durch Kapillarkräfte haften. Nun
kommen einzelne unbenutzte Saugblätter unter die Wachsmatrize und mit
Hilfe des Farbwalzenrollers, wird die Farbe vom Seidengaze durch die
perforierte Wachsmatrize auf das Saugpapier gewalzt. Dabei müssen alle
Flächenteile mit dem Farbwalzenroller erreicht werden, damit der
Textinhalt oder Bilder sich auf das Vervielfältigungssaugpapier
überträgt. Das Verfahren entspricht dem eines Mimeographen.
ROTO-PREZIOSA
Anfangs
waren Mimeographen (Siebdrucker, im Englischen als stencil duplicator
or mimeograph machine oder Memo bezeichnet) gekennzeichnet durch eine
einzelne zylinderförmige Transport-Trommel. Später, wie auch beim
ROTO-PREZIOSA, hatten Mimeographen für gewöhnlich zwei
aufeinanderliegende, gleichgroße zylinderförmige Transport-Trommeln, oft
aus Aluminium gefertigt, eine innenliegende Farbverteilungswalze und
eine außenliegende Papieranpressrolle. Signifikantes Merkmal der
Mimeographen, primär ein Seidengaze (Feintextiltuch) und sekundär die Farbverteilungswalze zwischen zwei Transport-Trommeln, die mit ölhaltiger Farbe
versehen ist. Unabhängig der Anzahl vorhandener Transport-Trommeln, ist
dieser Bereich mit einer Seidengaze umspannt. Auf das 100 µm dicke
Seidengaze wird eine ölhaltige Schnelldruckfarbe aufgepinselt. Mäßigen
Farbauftrag erhält auch die Farbverteilungswalze. Der Farbauftrag muss
zwischen Seidengaze und Farbverteilungsrolle gut harmonieren, im anderen
Fall erhält das Seidenganze zu wenig Farbe und der Farbauftrag auf das
zu vervielfältigende Saugpapier gelingt nur spärlich. Zuviel Farbauftrag
sorgt für eine unangenehme Verschmutzung des
Vervielfältigungs-Apparates und kann die Wachsmatrize durch erhöhte
mechanische Belastung und möglicher Blasenbildung schneller
verschleißen. Auch Johannes Gutenberg, der Erfinder des Buchdrucks,
verwendete im 15. Jahrhundert bei der Vervielfältigung ein Seidengaze.
Im Buch wird beschrieben, wie eine Wachmatrize per Schreibmaschinenanschlag beschrieben wird. Das ist vollkommen korrekt. Jetzt
wird der Spiritus erwähnt. Spiritus ist ein Vervielfältigungsverfahren
eines Matrizendruckers. Auf Ihrer Webseite habe Sie das richtig
angegeben. Das war eine typische Anwendung aus der Schulzeit. Ein Mimeograph arbeitet nur mit ölhaltiger Farbe und sonst nichts.
Arbeitsweise Matrizendrucker - Kurzfassung
Matrizendrucker sind bekannt unter dem Namen Spiritusdrucker, Spiritus-Karbon-Umdruck, Ditto-Maschine und Blaudrucker. Der Unterschied zum Hektographen liegt in der verwendeten Matrize. Hektograph und Matrizendrucker sind sich im Vervielfältigungsverfahren aber sehr ähnlich. Matrizendrucker verwenden zur Vervielfältigung eine Wachsmatrize. Mit Schreibmaschinenanschlag wird ein Deckblatt beschrieben. Hinter dem Deckblatt befindet sich eine einseitig beschichtete Folie mit Wachsüberzug. Das Wachs enthält einen Farbstoff. Die gewachste Seite liegt direkt hinter dem Deckblatt. Der Schreibmaschinenanschlag spiegelt sich auf der Rückseite des Deckblatts mit Wachs. Die Deckblatt-Matrize wird mit der nicht beschriebenen Seite auf eine Trommel aufgespannt. Befeuchtetes Papier mit Spiritus lösen das Wachs von der Matrize, beim durchgleiten über die Trommel, an. Der Text steht auf der Vervielfältigung. Mit jedem Vervielfältigungszyklus reduziert sich auf der Wachsmatrize die Wachsschicht. Die begrenzte Anzahl der Abzüge liegt wie beim Hektographen, bei ca. 100.
Matrizendrucker sind bekannt unter dem Namen Spiritusdrucker, Spiritus-Karbon-Umdruck, Ditto-Maschine und Blaudrucker. Der Unterschied zum Hektographen liegt in der verwendeten Matrize. Hektograph und Matrizendrucker sind sich im Vervielfältigungsverfahren aber sehr ähnlich. Matrizendrucker verwenden zur Vervielfältigung eine Wachsmatrize. Mit Schreibmaschinenanschlag wird ein Deckblatt beschrieben. Hinter dem Deckblatt befindet sich eine einseitig beschichtete Folie mit Wachsüberzug. Das Wachs enthält einen Farbstoff. Die gewachste Seite liegt direkt hinter dem Deckblatt. Der Schreibmaschinenanschlag spiegelt sich auf der Rückseite des Deckblatts mit Wachs. Die Deckblatt-Matrize wird mit der nicht beschriebenen Seite auf eine Trommel aufgespannt. Befeuchtetes Papier mit Spiritus lösen das Wachs von der Matrize, beim durchgleiten über die Trommel, an. Der Text steht auf der Vervielfältigung. Mit jedem Vervielfältigungszyklus reduziert sich auf der Wachsmatrize die Wachsschicht. Die begrenzte Anzahl der Abzüge liegt wie beim Hektographen, bei ca. 100.
Der
Vervielfältigungsapparat Greif kann laut Werbeprospekt 1500 und der
ROTO-PREZIOSA bis zu 3000 Vervielfältigungen erreichen. Aber! Unter
Kriegsbedingungen war vermutlich das Material der Wachsmatrizen aus
Kunstmaterial und es kommt zu früheren Matrizenabrissen.
Wenn Sie mehr über das Thema erfahren möchten, dann können Sie sich bitte gerne meine Webseite ansehen.
Das
Bild in Ihrem Buch, das ist ein Gestetner Rotary Cyclostyle No 6. Der
Gestetner Rotary Cyclostyle No 6 ist ein kompatibler
Vervielfältigungsapparat wie der ROTO-PREZIOSA. Er wird ganz genau so
bedient und seine Arbeitsweise ist ebenfalls gleich. Dden Gestetner
Rotary Cyclostyle No 6 hat jedoch der Widerstandskreis nicht eingesetzt.
Das Bild aus ihrem Buch haben viele kopiert und daraus folgendes gemacht: (Das Bild lasse ich hier aus wegen der Copyright-Probleme B.L.)
Das haben einige Schulen sich auf ihre Webseite gesetzt.
Ein
weitere Fehler ist, es wird oft mitgeteilt, die Widerstandsgruppe habe
mit einem Hektographen gearbeitet. Es ist ein Mimeograph, das habe ich
alles auf meiner Webseite beschrieben, warum das so ist.
Bei
Wikipedia wurde der Eintrag dieser Tage bezüglich „Weiße Rose“ und
Hektograph gelöscht. Hier wurde erwähnt, die Widerstandsgruppe habe
einen Hektographen für die Flugblätter eingesetzt.
Ein
Hektograph und ein Matrizendrucker kann nur etwa 100 bis maximal 150
Vervielfältigungen erreichen. Sophie Scholl beschreibt im Verhör, nach
der Hälfte und das waren ungefähr 1500 Kopien sei die Matrize gerissen.
Also sind die Vervielfältigungsverfahren Hektograph und Matrizendruck
auszuschließen. Ich habe hierzu auch umfangreiche Berechnungen
angestellt. Selbst die Buchstaben der Flugblätter 5 und 6 gezählt und
damit eine Plausibilisierungserklärung aufgestellt.
Bezüglich
Ihres Buches: Es ist ja nicht viel passiert, es verändert nicht die
Geschichte und es schmälert nichts am Widerstandskreis. Ich kann es sehr
gut nachvollziehen, das sich mit den technischen Themen der
Widerstandsgruppe viele sogar sehr schwer tun. Ich hoffe schließlich
selbst, mir keinen Stolperstein gelegt zu haben. Es gibt kaum ein Buch,
ohne ein kleines Missgeschick. Offensichtlich ist das auch kaum
vermeidbar.
Ich
wünsche Ihnen noch eine gute Zeit und würde mich sehr freuen, Sie
wieder zu lesen, in einem neuen Buch über den Widerstandskreis.
Herzliche Grüße von
Thomas Kortenkamp"
Ich danke Herrn Kortenkamp für diese Informationen und seine freundlichen Schlussworte!
Ich danke Herrn Kortenkamp für diese Informationen und seine freundlichen Schlussworte!