Mittwoch, 7. August 2013

Whistle-Blower und Helden

Mir geht das Wort Whistleblower nicht aus dem Kopf.

Signalpfeife (Zeichnung Leisner)
Einer, der die Signalpfeife bläst. Im Flensburger Seefahrtsmuseum liegt so eine Signalpfeife. Sie hat sechs Menschenleben gerettet. Das war im Jahr 1914 als die deutsche Bark "Hera" im Sturm vor der englischen Küste einen Felsen gerammt hatte. Ein Versuch mit dem Rettungsboot an Land zu kommen schlug fehl. 19 Besatzungsmitglieder ertranken. Zurück auf dem Schiff erhielt der 18jährige Matrose August Lassen den Auftrag die Signalpfeife zu blasen. Und er bläst in dieser Nacht ohne Unterlass und kann damit die Besatzung eines britischen Rettungsbootes auf sich aufmerksam machen. Über die Hilfsaktion wird in den Zeitungen berichtet. Der junge Matrose, der sich dem sicheren Tod entgegen stellte, wird als Held gefeiert. Ich hatte davon im Katalog der Ausstellung "Der Tod und das Meer" gelesen, wo eine englische Zeitungsseite abgebildet wird.

Tatsächlich geht es mir natürlich um den Begriff "Held". Als ich die Biographie von Sophie Scholl veröffentlicht hatte, schrieb eine Rezensentin in der ZEIT, ich hätte sie "vorsichtig vom Sockel gehoben". Ich habe damals zum ersten Mal ausführlich die jugendliche Begeisterung für den Nationalsozialismus im Rahmen dieser Lebensgeschichte thematisiert.

Heben wir Helden auf den Sockel und dann wieder herunter? Gibt es Helden, deren Handeln immer heldenhaft bleibt? Was macht jemand zum Helden oder zur Heldin? Das sind so die Fragen, die sich mir stellen.

Und jetzt kommt Edward Snowden ins Spiel. Ich habe das Gefühl zum ersten Mal wirklich "mitzuerleben" - in Wirklichkeit erhalte ich natürlich nur Informationen, zu denen ich keine Quellenkritik anstellen kann -, dass jemand eine riesige Gefahr für sein Land, ja in diesem Fall sogar für die Weltgesellschaft sieht und sich bewusst dafür entscheidet sein eigenes Leben außer acht zu lassen und sich dieser Flutwelle der globalen Verdächtigung durch die Amerikanische Regierung bzw. durch die von ihr ermächtigte und sich selbst ermächtigende Organisation für die "Sicherheit" des Landes entgegenzustellen und der Welt davon zu berichten, welche Verletzungen der Menschenrechte schon geschehen und noch geplant sind.

Auf einmal habe ich ein tieferes Verständnis für das, was die Geschwister Scholl und ihren Freundeskreis umgetrieben hat. Viel mehr als bisher begreife ich, dass sie gar nicht anders konnten, als - auf ihre historisch bedingte Art und Weise - Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu leisten und ihr Leben außer Acht zu lassen. Sie hatten das schreckliche Unrecht begriffen, das die Herrschenden in ihrer Zeit an den Menschen verübten. Und dabei wussten sie noch lange nicht alles, was damals wirklich geschah.

Whistle-Blower, die gegen den Wind und die Flutwellen anpfeifen, damit sie gehört werden und andere zur Rettung eilen können.

Und was tun wir? Was tue ich? Nein ich bin keine Heldin. Aber ich möchte, dass viele zur Rettung eilen! Vielleicht mit Hilfe der elektronischen Medien, um die es geht?