Donnerstag, 20. August 2020

Scientia Mortuorum in der Festung Grauerort

Eröffnung des Festivals durch Anja Kretschmer (alle Fotos sind von der Autorin)
Dr. Anja Kretschmer, die mit dem "Friedhofsgeflüster" deutschlandweit über Friedhöfe führt, hat in diesem Jahr zum dritten Mal zu ihrem "Wissensfestival" mit dem Titel "Scientia Mortuorum" eingeladen. Es findet immer an einem anderen, mehr oder weniger verlassenen Ort statt. Dieses Jahr war es in meine Nähe in die Festung Grauerort bei Stade gekommen. Wegen Corona fanden die Programmpunkte unter freien Himmel statt. Bei sommerlich heißen Temperaturen suchten die Menschen den Schatten! Trotz Corona konnten deutlich über hundert Menschen - beim Herumgehen mit Masken, auf den Stühlen ohne - ein vielfältiges Programm erleben, das den Tod in den Mittelpunkt stellte und vielleicht nicht unbedingt für schwache Nerven zu empfehlen ist:

Bei über 30 Grad suchen die Zuhörerinnen den Schatten

Juliane Uhl erzählte sehr lebendig von ihren Erfahrungen im Krematorium sowie von ihrer künstlerischen Arbeit und schloss mit Frage, was sie selbst vom Tod gelernt habe, und der Antwort "Das Leben ist ein Imperativ!". Roman Shamov las drei Kapitel aus seiner noch nicht erschienenen Biographie, darunter einen bewegenden Text von einem Friedhofsbesuch. Der Hamburger Rechtsmediziner Prof. Dr. Püschel stellte seine Arbeit vor und berichtete zum Schluss von einem haarsträubenden Mordfall. Rurik von Hagens ließ die Zuhörer an der Entwicklungsgeschichte der Plastination teilhaben, die sein Vater Prof. Gunther von Hagens in den 1970er Jahrent entwickelt hat und die heute in Guben zuhause ist. Und sptäer am Abend berichtete von der Thanatologe Joerg Vieweg als "Zauberer der Entstellten" von den Möglichkeiten der Wiederherstellung toter Körper. 

Prof. Püschel stellte auch seine Bücher vor.
Daneben fanden Führungen durch die Festung statt, ein Korso der historischen Leichenwagen setzte sich in Bewegung, Kurzfilme zum Thema flimmerten über die große Tageslicht-Leinwand, auf der jedes Bild gestochen scharf zu erkennen war. Eine Fotoausstellung war zu sehen, DER TOD zeigte sich zwischendurch in den düsteren Gemäuern der Festung mit Kutte und Sense und war abends, als ich das Festival schon verlassen hatte, auch mit seinem Programm zu hören und Roman Shamov wanderte singend durch die Gewölbe.

Rundum eine - kann man das bei diesem Thema sagen? - sehr bunte und auch informative Veranstaltung, allerdings hat der TOD recht, wenn er auf seiner Seite schreibt, dass dort "den ganzen Tag über Leute vom Fach (Bestatter, Kriminalbiologen, Friedhofsführer) Vorträge halten und sich die schwarze Szene trifft". 

Fotoausstellung im Gewölbe von Marcus Rietzsch, Berlin "Ein letzter Augenblick"

Einige der historischen Leichenwagen