Sonntag, 16. September 2012

Womit haben Hans und Sophie Scholl ihre Flugblätter vervielfältigt?

Unter dem Titel "Mein Buch über Sophie Scholl im Arena-Verlag - Rezensionen und ein Widerspruch" habe ich mich auf diesem Blog ausführlich mit einer Rezension meines Buches auseinandersgesetzt und dabei auch als Punkt 6. geschrieben: "Unglaube schreibt leider nicht, was an meiner Beschreibung der Wachsmatrizen und des Vervielfältigungsapparates falsch ist. Ich kann da nichts finden, schließlich erinnere ich mich selbst noch ganz gut an diese Apparate, die in meiner Schulzeit noch überall benutzt wurden."

Jetzt erreicht mich eine ausführliche Mail von Thomas Kortenkamp, der genau erklärt mit welcher Art von Vervielfältigungsapparat die Scholls ihre Flugblätter abgezogen haben müssen. Der Einfachheit halber und, weil die Materie nicht ganz leicht zu durchschauen ist, füge ich die Mail von Thomas Kortenkamp hier ein:

"Da ich die beiden Schreibmaschinen und die beiden Vervielfältigungsapparate umfassend untersucht habe, kann ich Ihnen den Sachverhalt beschreiben.
Im Buch steht folgendes:
Die Vervielfältigung von Flugblättern war eine mühsame Angelegenheit.
§  Es müssen hierbei zwei Vervielfältigungsapparate unterschieden werden. Greif-Vervielfältiger (Flugblätter 1-4) und ROTO-PREZIOSA (Flugblätter 5+6). Das Vervielfältigungsprinzip ist fast identisch.

Ich füge einen Teil meiner Internet-Publikation ein.
Der Greif ist mit einem klappbaren Holzrahmen, in dem ein Seidengaze eingelassen ist, ausgestattet. In einem Farbfach wird ein Farbwalzenroller gleichmäßig mit Vervielfältigungsfarbe versehen. Unter das Seidengaze wird eine mit Schreibmaschinenanschlag bearbeitete Wachsmatrize, mit der beschriebenen Wachsschicht, gelegt und oberhalb des Rahmens an einem Klappbügel eingeklemmt. Ein Vervielfältigungspapier wird auf die innen liegende Holzfläche im Holzkasten aufgelegt. Der Seidengaze-Rahmen wird darauf abgelassen und das Seidengaze mit dem Farbwalzenroller gefärbt. Durch den Farbauftrag auf das Seidengaze, kann die Wachsmatrize unter dem Seidengaze durch Kapillarkräfte haften. Nun kommen einzelne unbenutzte Saugblätter unter die Wachsmatrize und mit Hilfe des Farbwalzenrollers, wird die Farbe vom Seidengaze durch die perforierte Wachsmatrize auf das Saugpapier gewalzt. Dabei müssen alle Flächenteile mit dem Farbwalzenroller erreicht werden, damit der Textinhalt oder Bilder sich auf das Vervielfältigungssaugpapier überträgt. Das Verfahren entspricht dem eines Mimeographen.


ROTO-PREZIOSA
Anfangs waren Mimeographen (Siebdrucker, im Englischen als stencil duplicator or mimeograph machine oder Memo bezeichnet) gekennzeichnet durch eine einzelne zylinderförmige Transport-Trommel. Später, wie auch beim ROTO-PREZIOSA, hatten Mimeographen für gewöhnlich zwei aufeinanderliegende, gleichgroße zylinderförmige Transport-Trommeln, oft aus Aluminium gefertigt, eine innenliegende Farbverteilungswalze und eine außenliegende Papieranpressrolle. Signifikantes Merkmal der Mimeographen, primär ein Seidengaze (Feintextiltuch) und sekundär die Farbverteilungswalze zwischen zwei Transport-Trommeln, die mit ölhaltiger Farbe versehen ist. Unabhängig der Anzahl vorhandener Transport-Trommeln, ist dieser Bereich mit einer Seidengaze umspannt. Auf das 100 µm dicke Seidengaze wird eine ölhaltige Schnelldruckfarbe aufgepinselt. Mäßigen Farbauftrag erhält auch die Farbverteilungswalze. Der Farbauftrag muss zwischen Seidengaze und Farbverteilungsrolle gut harmonieren, im anderen Fall erhält das Seidenganze zu wenig Farbe und der Farbauftrag auf das zu vervielfältigende Saugpapier gelingt nur spärlich. Zuviel Farbauftrag sorgt für eine unangenehme Verschmutzung des Vervielfältigungs-Apparates und kann die Wachsmatrize durch erhöhte mechanische Belastung und möglicher Blasenbildung schneller verschleißen. Auch Johannes Gutenberg, der Erfinder des Buchdrucks, verwendete im 15. Jahrhundert bei der Vervielfältigung ein Seidengaze.

Im Buch wird beschrieben, wie eine Wachmatrize per Schreibmaschinenanschlag beschrieben wird. Das ist vollkommen korrekt. Jetzt wird der Spiritus erwähnt. Spiritus ist ein Vervielfältigungsverfahren eines Matrizendruckers. Auf Ihrer Webseite habe Sie das richtig angegeben. Das war eine typische Anwendung aus der Schulzeit. Ein Mimeograph arbeitet nur mit ölhaltiger Farbe und sonst nichts.

Arbeitsweise Matrizendrucker - Kurzfassung
Matrizendrucker sind bekannt unter dem Namen Spiritusdrucker, Spiritus-Karbon-Umdruck, Ditto-Maschine und Blaudrucker. Der Unterschied zum Hektographen liegt in der verwendeten Matrize. Hektograph und Matrizendrucker sind sich im Vervielfältigungsverfahren aber sehr ähnlich. Matrizendrucker verwenden zur Vervielfältigung eine Wachsmatrize. Mit Schreibmaschinenanschlag wird ein Deckblatt beschrieben. Hinter dem Deckblatt befindet sich eine einseitig beschichtete Folie mit Wachsüberzug. Das Wachs enthält einen Farbstoff.  Die gewachste Seite liegt direkt hinter dem Deckblatt. Der Schreibmaschinenanschlag spiegelt sich auf der Rückseite des Deckblatts mit Wachs. Die Deckblatt-Matrize wird mit der nicht beschriebenen Seite auf eine Trommel aufgespannt. Befeuchtetes Papier mit Spiritus lösen das Wachs von der Matrize, beim durchgleiten über die Trommel, an. Der Text steht auf der Vervielfältigung. Mit jedem Vervielfältigungszyklus reduziert sich auf der Wachsmatrize die Wachsschicht. Die begrenzte Anzahl der Abzüge liegt wie beim Hektographen, bei ca. 100.

Der Vervielfältigungsapparat Greif kann laut Werbeprospekt 1500 und der ROTO-PREZIOSA bis zu 3000 Vervielfältigungen erreichen. Aber! Unter Kriegsbedingungen war vermutlich das Material der Wachsmatrizen aus Kunstmaterial und es kommt zu früheren Matrizenabrissen.

Wenn Sie mehr über das Thema erfahren möchten, dann können Sie sich bitte gerne meine Webseite ansehen.

Das Bild in Ihrem Buch, das ist ein Gestetner Rotary Cyclostyle No 6. Der Gestetner Rotary Cyclostyle No 6 ist ein kompatibler Vervielfältigungsapparat wie der ROTO-PREZIOSA. Er wird ganz genau so bedient und seine Arbeitsweise ist ebenfalls gleich. Dden Gestetner Rotary Cyclostyle No 6 hat jedoch der Widerstandskreis nicht eingesetzt.

Das Bild aus ihrem Buch haben viele kopiert und daraus folgendes gemacht: (Das Bild lasse ich hier aus wegen der Copyright-Probleme B.L.)

Das haben einige Schulen sich auf ihre Webseite gesetzt.

Ein weitere Fehler ist, es wird oft mitgeteilt, die Widerstandsgruppe habe mit einem Hektographen gearbeitet. Es ist ein Mimeograph, das habe ich alles auf meiner Webseite beschrieben, warum das so ist.

Bei Wikipedia wurde der Eintrag dieser Tage bezüglich „Weiße Rose“ und Hektograph gelöscht. Hier wurde erwähnt, die Widerstandsgruppe habe einen Hektographen für die Flugblätter eingesetzt.

Ein Hektograph und ein Matrizendrucker kann nur etwa 100 bis maximal 150 Vervielfältigungen erreichen. Sophie Scholl beschreibt im Verhör, nach der Hälfte und das waren ungefähr 1500 Kopien sei die Matrize gerissen. Also sind die Vervielfältigungsverfahren Hektograph und Matrizendruck auszuschließen. Ich habe hierzu auch umfangreiche Berechnungen angestellt. Selbst die Buchstaben der Flugblätter 5 und 6 gezählt und damit eine Plausibilisierungserklärung aufgestellt.

Bezüglich Ihres Buches: Es ist ja nicht viel passiert, es verändert nicht die Geschichte und es schmälert nichts am Widerstandskreis. Ich kann es sehr gut nachvollziehen, das sich mit den technischen Themen der Widerstandsgruppe viele sogar sehr schwer tun. Ich hoffe schließlich selbst, mir keinen Stolperstein gelegt zu haben. Es gibt kaum ein Buch, ohne ein kleines Missgeschick. Offensichtlich ist das auch kaum vermeidbar.


Ich wünsche Ihnen noch eine gute Zeit und würde mich sehr freuen, Sie wieder zu lesen, in einem neuen Buch über den Widerstandskreis.

Herzliche Grüße von
Thomas Kortenkamp"

Ich danke Herrn Kortenkamp für diese Informationen und seine freundlichen Schlussworte!


Samstag, 15. September 2012

„Anständig gehandelt – Widerstand und Volksgemeinschaft 1933-1945“

Unter diesem Titel läuft bis zum 31. März 2013 eine Sonderausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg, die sich mit der NS-Diktatur und dem Verhalten der Deutschen beschäftigt und am Beispiel konkreter Aktionen zeigt, "wie sich Einzelne und Gruppen im Kleinen und Großen gegen den Nationalsozialismus zur Wehr setzten". Gleichzeitig wird auch beleuchtet, wie Widerstandskämpfer durch die Volksgemeinschaft ausgegrenzt und durch das Terrorregime verfolgt wurden

In der Ausstellung werden einzelne Geschichten des Widerstandes anhand von Objekten erzählt und verbildlicht, die bisher noch weitgehend unbekannt sind. Aber auch das Wirken des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg wird dargestellt, es geht ebenfalls um die Flugblattaktionen der Geschwister Scholl und ihrer Freunde der Weißen Rose und es wird von dem schwäbischen Tüftler Georg Elser erzählt, der am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller Hitler töten und so den Krieg verhindern wollte.

Mittwoch, 12. September 2012

Ratgeber Abschied nehmen - das neue Titelbild ist fertig

Nein, ich bin immer noch nicht ganz fertig mit der Überarbeitung meines Ratgebers "Abschied nehmen - praktischer Rat und Hilfe in den Tagen der Trauer", den ich bei Amazon als eBook veröffentlichen will. Ja, ich weiß, ich habe gedacht ich würde schon viel eher fertig werden. Aber wie das eben so ist ...

Immerhin habe ich, so oft es ging, daran gearbeitet: Den Text habe ich inzwischen ganz durchgesehen. Jetzt fehlt mir noch der Anhang. Ich überlege gerade, ob ich nicht alles, was bisher dort stand, vergessen und mich nur auf nützliche Links beschränken sollte. Da merkt man nämlich, wie die Zeiten sich verändert haben. Ich habe den Ratgeber ja noch vor dem "Internetzeitalter" geschrieben. Da musste man Literatur angeben, damit die Menschen sich umfassender informieren konnten.

Lang ist es her (knapp zwanzig Jahre um genau zu sein). Inzwischen ist alles, aber auch wirklich alles, im Internet zu finden. Deswegen scheint mir ein kommentiertes Link-Verzeichnis viel nützlicher als jede Literaturangabe zu sein. Damit kommt man schließlich zu allen Informationen, die bisher im Anhang versammelt waren.

Gestern habe ich also die Bearbeitung des Textteils abgeschlossen. Danach habe ich mir ein besonderes Vergnügen gegönnt und in meinen Friedhofsfotos nach einem passenden Titelbild gesucht. Ich habe mit Picasa und Irfanview gespielt und hier steht nun das neue Coverbild für den Ratgeber, von mir persönlich entworfen. Ob es das tut, was Amazon von einem Titelbild verlangt: Kaufentscheidungen maßgeblich beeinflussen?

Sonntag, 9. September 2012

Tankstelle aus den 50er Jahren in Hamburg

Dieses Wochenende ist deutschlandweit der Tag des offenen Denkmals. Wir haben gestern die historische Tankstelle in Hamburg besucht.

Tankplatz mit Zapfsäulen aus den  50ern (Foto Leisner)
Das Gebäude aus den 50er Jahren ist vor einiger Zeit liebevoll restauriert worden und beherbergt inzwischen eine kleine Gastronomie, in der man stilistisch korrekt an Resopal-Tischen sitzen und Kaffee aus zylindrischen Tassen genießen kann. Zeittypische Regale und ein abgerundeter Tresen versetzen einen ebenso in die 50er Jahre, wie die stilechten Zapfsäulen, die allerdings noch kein Benzin liefern. Aber auch das ist angestrebt.
Selbst die Toilette ist stilistisches
passend ausgestaltet!  (Foto Leisner)



Der Eingangsraum  (Foto Leisner)

Im Imbiß  (Foto Leisner)

Blick in den Ölstand  (Foto Leisner)
Seitenansicht der Tankstelle mit Imbiß  (Foto Leisner)
Die Rückseite mit KFZ-Prüfstelle für Oldtimer  (Foto Leisner)
 Wie die Bilder zeigen, handelt es sich um ein echtes und heutzutage seltenes bauliches Kleinod. Dazu ist die Tankstelle ein Platz geworden, an dem an die Geschichte der Mobilität auf verschiedene Weise erinnert wird, denn es gibt hier regelmäßige Treffen für Liebhaber historischer Fahrzeuge. Auch Filme werden gezeigt, denn in der ehemaligen Wartungshalle ist Raum genug für ein zahlreiches Publikum.